Wann ist eine fristlose Kündigung rechtmäßig?
Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Einhaltung der normalerweise vorgeschriebenen Kündigungsfrist. Das ist für den Arbeitnehmer in Hinblick darauf eine besondere Belastung, dass er sich nicht auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einstellen kann. Daher müssen für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung
1. Erheblicher Pflichtverstoß
Zunächst bedarf es gemäß § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung eines „wichtigen Grundes“. Dazu muss der Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt haben. Es muss sich dabei um einen derart schweren Verstoß handeln, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die Kündigungsfrist einzuhalten. Zudem darf es keine Rechtfertigung für den Pflichtverletzung geben und der Arbeitnehmer muss den Verstoß verschuldet haben.
2. Kein milderes Mittel
Eine Fristlose Kündigung darf nicht ausgesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis für die Zukunft durch ein milderes Mittel „repariert“ werden kann. Infrage kommen hier zum Beispiel eine Abmahnung oder eine Versetzung.
3. Interessenabwägung
Letztlich sind die Interessen des Arbeitnehmers an einer Einhaltung der Kündigungsfrist und die des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwägen. Zu berücksichtigen ist dabei zum Beispiel die Beschäftigungsdauer und das Alter des Arbeitnehmers oder die Schwere des Verstoßes und ob eine Wiederholungsgefahr besteht.
Es gibt zahlreiche Gründe, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Doch nicht immer, wenn der Arbeitgeber fristlos kündigt, ist dies auch gerechtfertigt.
Beispiele aus der Praxis
Krankes Kind mit zur Arbeit genommen
Viele Eltern kennen diese Situation: Eigentlich muss man zur Arbeit, aber das Kind ist krank und man hat kurzfristig keine Betreuungsmöglichkeit gefunden. Mit diesem Problem sah sich auch eine Frau aus Siegburg konfrontiert. Also nahm die als Altenpflegefachkraft beschäftigte Mutter ihre Kinder mit zur Arbeit. Kurz darauf erhielt die Arbeitnehmerin eine fristlose Kündigung, die unter anderem damit begründet wurde, dass sie ihre Kinder nicht mit zur Arbeit hätte bringen dürfen.
Gegen diese fristlose Kündigung erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage und beantragte, dass die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten wird. Das Arbeitsgericht Siegburg gab der Klage statt und entschied zu ihren Gunsten. Nach Ansicht des Gerichts sei eine fristlose Kündigung ungerechtfertigt.
Begründend führte das Gericht aus, dass das Verhalten der Arbeitnehmerin zwar sowohl aufgrund der Ansteckungsgefahr für die zu pflegenden Patienten als auch aus versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Pflichtverletzung darstelle. Dies rechtfertige jedoch keine sofortige und fristlose Kündigung der Arbeitnehmerin. Vielmehr wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen.
Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 04.09.2019, Az.: 3 Ca 642/19
Weigerung des Arbeitnehmers im Homeoffice zu arbeiten
Nach der Schließung des Betriebes wurde einem Arbeitnehmer angeboten, von zuhause aus zu arbeiten. Als er dieses Angebot hingegen ablehnte, kündigte ihm der Arbeitgeber fristlos wegen „beharrlicher Arbeitsverweigerung“. Gegen diese Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg war die Kündigung unwirksam. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers keine Regelung zur Änderung des Arbeitsplatzes enthielt. Demnach war er vertraglich nicht dazu verpflichtet, im Homeoffice zu arbeiten. Zudem war der Arbeitgeber nicht nur aufgrund seines Weisungsrechts dazu befugt, dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz im Homeoffice zuzuweisen, da sich die Begleitumstände im Homeoffice erheblich von der Tätigkeit im Betrieb selbst unterscheiden. Weigert sich der Arbeitnehmer von zuhause aus zu arbeiten, liegt daher keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2018, Az.: 17 Sa 562/18
Üble Nachrede per WhatsApp
Folgenden Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zu entscheiden: Eine Arbeitnehmerin versendete per WhatsApp Nachrichten an eine Kollegin, in denen sie fälschlicherweise behauptete, dass ein Arbeitskollege bereits wegen Vergewaltigung verurteilt worden war. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos, woraufhin sie Kündigungsschutzklage erhob.
Das LAG entschied zuungunsten der Arbeitnehmerin und bestätigte die fristlose Kündigung als rechtmäßig. Begründend wurde ausgeführt, dass die Verbreitung dieses unrichtigen und (sehr) rufschädigenden Gerüchts eine üble Nachrede gemäß § 186 StGB darstellt. Aufgrund dessen sei die fristlose Kündigung wirksam. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Gerücht in einem privaten WhatsApp-Chat geäußert wurde. Denn wer behauptet, dass ein Kollege wegen eines schwerwiegenden Verbrechens verurteilt wurde, muss damit rechnen, dass der Gesprächspartner das private Gespräch nicht für sich behält, sondern sich Dritten anvertraut, um die Anschuldigungen aufzuklären.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2019, Az.: 17 Sa 52/18
Fremdenfeindliche Äußerungen gegenüber einem Kollegen
Ein Arbeitnehmer aus Stuttgart äußerte gegenüber einem Kollegen wiederholt rassistische und fremdenfeindliche Bemerkungen. Er beleidigte den türkischen Mitarbeiter mehrfach verbal und sendete ihm unter anderem Symbole des NS-Regimes (Hakenkreuze oder Bilder von Adolf Hitler) oder Anfeindungen gegenüber Asylbewerbern per WhatsApp. Aufgrund dessen wurde er fristlos gekündigt. Dies begründete der Arbeitgeber unter anderem mit einem Verstoße gegen die im Unternehmen geltende Verhaltensrichtlinie, die „integeres Verhalten“ im Betrieb anordnet.
Das Arbeitsgericht Stuttgart entschied, dass die fristlose Kündigung in diesem Fall gerechtfertigt sei. Allein die über Monate andauernden massiven Beleidigungen (zum Beispiel „Ziegenficker“) stellen nach Ansicht des Gerichts einen wichtigen Grund dar, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Zudem begründen die per WhatsApp versandten Nachrichten mit rassistischen Inhalten erhebliche Pflichtverstöße des Arbeitnehmers, die ebenfalls eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
ArbG Stuttgart, Urteil vom 14.03.2019, Az.: 11 Ca 3737/18
Acht halbe belegte Brötchen entwendet
Eine Krankenschwester hatte acht belegte Brötchen, die für externe Mitarbeiter – zum Beispiel Rettungssanitäter – bestimmt waren, aus einem Kühlschrank genommen und in den eigenen Pausenraum gestellt. Dort aßen Mitarbeiter die Brötchen auf. Die Krankenschwester selbst aß mindestens vier der halben Brötchen. Kurz darauf kündigte ihr der Arbeitgeber fristlos, woraufhin sie Kündigungsschutzklage erhob.
Das Arbeitsgericht Hamburg entschied zugunsten der Krankenschwester. Zunächst stellte das Gericht jedoch klar, dass die Entwendung geringwertiger Sachen, wie die acht belegten Brötchen, grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Stattdessen kann jedoch im Einzelfall zunächst eine Abmahnung geboten sein. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung wie hier offen oder heimlich begangen hat. Zudem sei im vorliegenden Fall zugunsten der Krankenschwerster ihre Beschäftigungsdauer von 23 Jahren zu berücksichtigen, in denen sie keinerlei Pflichtverstöße begangen hatte. Daher hätte der Arbeitgeber hier zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen, weshalb eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig war.
Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 10.07.2015, Az.: 27 Ca 87/15
Kündigungsschutzklage bei fristloser Kündigung
Wie die Fallbeispiele zeigen, sind fristlose Kündigungen nicht immer rechtmäßig. Daher kann es in solchen Fälle sinnvoll sein, anwaltlichen Rat einzuholen und sich ggf. gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen.
Alles Wissenswerte zum Thema Kündigungsschutzklage erfahren Sie hier: https://www.gc-kanzlei.de/alles-wissenswerte-zur-kuendigungsschutzklage/
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