Reiserücktritt wegen außergewöhnlicher Umstände
Nicht erst zu Zeiten von Corona hatten Nachrichten aus Krisengebieten Auswirkungen auf die geplante Urlaubsreise. Doch welche Rechte hat man als Betroffener, wenn am Urlaubsort oder auf dem Weg dorthin außergewöhnliche Umstände die Erholung verhindern?
Was sind außergewöhnliche Umstände?
Außergewöhnliche Umstände liegen vor, wenn sie nicht der Kontrolle von Reisenden und Reiseveranstaltern unterliegen und die Folgen sich auch nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Früher sprach man auch von „höherer Gewalt“.
Dazu zählen u.a.:
- Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben, Waldbrände, etc. im oder in unmittelbarer Nähe des Reisegebiets
- Kriege und flächendeckende politische Unruhen
- Schwere Ausbrüche gefährlicher Krankheiten
Beachten Sie: Persönliche Einschätzungen des Reisenden, wie bspw. Angst, spielen keine Rolle. Eine allgemeine Terrorgefahr reicht nicht aus, um einen Reisevertrag ohne Kosten zu kündigen. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts ist im Falle eines Rechtsstreits ein wichtiges Indiz, hat jedoch keine absolut bindende Wirkung – es kommt wie so oft auf den Einzelfall an.
Was geschieht bei Rücktritt vor Reisebeginn?
- Vor Reisebeginn können Sie prinzipiell jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Liegen dabei außergewöhnliche Umstände vor, verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf angemessene Entschädigung (§ 651 h Abs. 3 BGB).
- Auch der Reiseveranstalter kann beim Vorliegen außergewöhnlicher Umstände vor Reisebeginn zurücktreten. Dann muss er innerhalb von 14 Tagen den Reisepreis ohne Abzüge erstatten.
- Ein Reiseveranstalter kann seinen Anspruch auf Entschädigung schon vor Antritt der Fahrt verlieren, wenn laut Prognose, unzumutbare Risiken für die Durchführung der Reise bestehen.
Aktuelle Entscheidung des BGH zum Reiserücktritt (Urteil vom 13.10.2022 – X ZR 1/22)
Im vorliegenden Fall hat der BGH zugunsten einer Touristin entschieden, die im März 2020 über den damals gesperrten Flughafen Mailand nach Sizilien hätte fliegen sollen. Zwar hatte ihr das Reiseunternehmen 10 % des Kaufpreises freiwillig zurückgezahlt, doch klagte die Frau auf Erstattung des Gesamtpreises nach § 651 h BGB. Das AG Frankfurt, das LG Frankfurt und nun auch der BGH entschieden zugunsten der Klägerin.
Die Klägerin hatte für ca. 2500 Euro eine Bustour mit Hotelübernachtung auf Sizilien gebucht. Am 18. Februar 2020 wurde ihr mitgeteilt, dass die für den 11. März 2020 geplante Reise mit Zwischenstopp in Mailand erfolgen sollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Robert-Koch-Institut Mailand zum Risikogebiet erklärt, weshalb die Klägerin am 8. März von der Reise zurücktrat, kurz bevor auch der Reiseveranstalter die Tour absagte (und die Fluggesellschaft die Verbindung bereits gestrichen hatte).
Zur Begründung
Die Klägerin sei wirksam vom Vertrag zurückgetreten, zudem habe die Veranstalterin aufgrund der außergewöhnlichen Umstände keinen Anspruch auf Entschädigung. Der BGH folgte der Argumentation des Landgerichts, dass eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651 h Abs.3 BGB keine sichere Gesundheitsgefahr voraussetze, sondern allein schon die Prognose unzumutbarer Risiken ausreichend sei. Eine solche Lage bestand mit hinreichender Sicherheit schon vor dem Rücktritt der Klägerin, da es nicht nur die Warnung des Robert-Koch-Instituts gab, sondern auch die Fluggesellschaft den Flug bereits annulliert hatte.
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