Erleichterte Haftung bei Schockschäden
Hintergrund
Wenn einer Person bei einem Verkehrsunfall ein körperlicher Schaden entsteht, steht ihr in den meisten Fällen Schmerzensgeld zu. Gleiches gilt, wenn eine Person durch einen Unfall, in dem sie selbst verwickelt war, psychische Verletzungen davonträgt. Anders schaut es hingegen aus, wenn die Person nicht selbst das Opfer eines Unfalls oder einer Verletzung ist, sich gleichwohl aber mit dem Geschehen psychisch konfrontiert sieht. Konkret handelt es sich bei sogenannten Schockschäden um psychische Erkrankungen, die durch Schock ausgelöst werden.
Zum Fall
Ein Mädchen wurde im Alter von 5 Jahren von einem Fremden sexuell misshandelt. Während den Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens musste sich der Vater mit dem Schicksal seiner Tochter auseinandersetzen, woraufhin bei ihm eine Anpassungsstörung (ICD-10 F4 3 – 2) diagnostiziert wurde. Daraufhin war er für mehr als ein Jahr arbeitsunfähig gewesen.
Bislang wurden an die Geltendmachung eines Anspruchs durch Schockschäden hohe Anforderungen gesetzt. Es mussten zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein. Zum einen musste der Betroffener die psychische Erkrankung infolge des Schicksals des Angehörigen darlegen und beweisen, zum anderen wurde für den Schockschaden immer ein außergewöhnlich hohes Ausmaß der psychischen Beeinträchtigung gefordert. Das bedeutet, dass die Folgen schwerwiegender sein müssen, als bei einer ähnlichen Schreckensnachricht üblicherweise zu erwarten gewesen wäre.
Der BGH hat in seiner Entscheidung über den oben geschilderten Fall die Anforderung an Ansprüche aus Schockschäden herabgesetzt, indem er die letztere Bedingung beseitigte. Ist eine psychische Beeinträchtigung pathologisch fassbar (d.h. kann sie diagnostiziert werden), ist die Gesundheitsverletzung, unabhängig vom Schwergrad der psychischen Beeinträchtigung, zu bejahen.
Bedeutung des Falls für die Praxis
Durch das jüngste Urteil des BGHs wurden die Rechte derjenigen gestärkt, die aufgrund von Schockschäden psychische Beeinträchtigungen erlitten. Damit kommt es zu einer gerechten Gleichstellung zwischen physischen und psychischen Schäden. Allerdings muss weiterhin die psychische Beeinträchtigung bewiesen werden, andernfalls drohe dem Schädiger eine uferlose Haftung.
Dennoch sollten sich die Geschädigten bei der Summe des Schmerzensgeldes nicht allzu große Hoffnungen machen. Als ein Mann seine Ehefrau bei einem Motorradunfall verlor und aufgrund dessen unter starken Depressionen litt, sprach das Gericht ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000€ zu. Das ist meist ein schwaches Trostpflaster.