Annahme relativer Fahruntüchtigkeit ohne Feststellung der Blutalkoholkonzentration
Unterscheidung relative und absolute Fahruntüchtigkeit
Wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, ist gemäß §316 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar.
Hierbei muss zunächst zwischen der absoluten und der relativen Fahruntüchtigkeit unterschieden werden. Eine absolute Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1‰ vor. Hierbei ist die Fahrweise unerheblich. Das bedeutet, dass selbst ein erfahrener Trinker, der sich noch bei Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vollkommen unter Kontrolle hat, absolut fahruntüchtig ist. Eine relative Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses liegt hingegen vor, wenn konkrete Umstände der Tat erweisen, dass der Alkoholkonsum zu einer Fahruntüchtigkeit geführt hat. Hierfür genügt, je nach Art und Umständen, bereits der Konsum kleiner Mengen Alkohol.
Das bedeutet, dass sich die relative Fahruntüchtigkeit von der absoluten nicht im Grad der Trunkenheit, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist.
Gesamtwürdigung des Richters entscheidet, ob relative Fahruntüchtigkeit vorlag
Ob jemand fahruntüchtig ist, wird meist mittels eines Atemtests oder einer Blutprobe ermittelt. Liegt ein solcher Test oder eine Probe nicht vor, scheidet die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit gleichwohl nicht aus. Auch ohne eine dieser Möglichkeiten kann eine alkoholbedingte relative Fahrtüchtigkeit festgestellt werden. Hierbei hat der Richter eine umfassende Würdigung aller Beweisanzeichen vorzunehmen.
Bei der Würdigung der Gesamtumstände beachtet der Richter insbesondere:
- Die festgestellte Fahrweise
Konkret untersucht der Richter dabei, ob der Fahrfehler dem Täter ohne alkoholische Beeinträchtigung nicht unterlaufen wäre. Ein Beispiel wäre etwa das Geradeausfahren in einer Kurve.
- Flucht des Täters vor Polizei
Darüber hinaus prüft der Richter zu einen die Tatsache, dass der Täter vor der Polizei flüchten wollte als auch die Art der Flucht, d.h. ob der Täter deutlich unsicher, waghalsig und fehlerhaft fuhr. Dies sind Indikatoren für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit.
- Das Verhalten während der Kontrolle
Schließlich kann eine Fahruntüchtigkeit auch im Verhalten vor oder nach der Tat, insbesondere bei der Kontrolle festgestellt werden. Anzeichen hierfür sind etwa Beeinträchtigungen der Körperbeherrschung wie beispielsweise Stolpern oder Schwanken beim Gehen sowie eine lallende oder verwaschene Sprechweise.
Selbstverständlich ist der Richter bei der Würdigung der Gesamtumstände auf die Aussagen und Dokumentation der Zeugen (kontrollierenden Polizisten) angewiesen.
(Urteil des Bayrischen Oberlandesgericht vom 13.02.2023 – 203 StRR 455/22)
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